Inhalt
{{postCount}} Wenn der Sandberg ruft
©stock.adobe.com/K I Photography
Kolumne

Wenn der Sandberg ruft

Wer hat hier Flachland gesagt? An Gipfelerlebnissen und anderen Hochgefühlen herrscht in Schleswig-Holsteins Landschaften kein Mangel

Annette Rübesamen
Über die Autorin

Annette Rübesamen ist Reisejournalistin aus Bayern, zieht im Urlaub aber die Weite Schleswig-Holsteins vor

Es gibt sogar Berge in Schleswig-Holstein! Doch ich habe noch andere Gründe, warum ich als Kind des bayerischen Voralpenlands so gerne nach Schleswig-Holstein reise. „Diese Weite, dieser Himmel, dieses Licht!“, rufe ich jedes Mal, sobald ich die Elbe erreiche. So viel Frische und Klarheit kennen wir ja nicht im Süden. Ich will dann immer sofort raus in die Natur, will den Norden mit allen Sinnen spüren. Zum Beispiel beim Radeln über die Deiche – tief über den Lenker gebeugt, denn eine kräftige Brise gehört zu Schleswig-Holstein ebenso wie die Schafe, die am Deich grasen und sich von besagter Brise das Fell zausen lassen. Ich weiß nicht, wie sich die Schafe fühlen, aber mich überkommt stets ein geradezu berauschendes Freiheits- und Glücksgefühl. Herrlich sind auch die Spaziergänge am Meer. Ostsee oder Nordsee? Ich mag beide. Das Wetter muss auch nicht nach klassischen Kriterien „gut“ sein. Im Gegenteil: Besonders schön finde ich es, wenn ohrenbetäubend die Brecher heranrollen, wenn Wolken über den Himmel jagen, Regentropfen waagerecht anfliegen, der Wind am Anorak zerrt und die Möwen sich kreischend dagegenstemmen. Es ist reinste Energie für mich. Statt müde aufs Sofa zu fallen, könnte ich danach jedes Mal Bäume ausreißen.

Am liebsten laufe ich barfuß über den Sand. Es ist schön, seine Kühle unter den Füßen zu spüren, die wechselnde Konsistenz von bretthart bis puderzuckerweich. Und seine Fähigkeit, sich zu Dünenbergen aufzutürmen, zu wogenden Sandgebirgen in immer neuen Formen, mit Gipfeln und Tälern. Berge eben. Fast wie in den Alpen. Nur, dass hier die Luft würzig nach Salz riecht, dass Silbergras im Wind weht, Mauerpfeffer und Strandhafer wachsen. Dünen mögen aussehen wie perfekte Badeparadiese, sind aber hochsensible Naturlandschaften, die geschützt werden müssen. Weshalb ich der Versuchung widerstehe, mittendurch zu latschen oder gar Blumen zu pflücken, deren Wurzeln den Sand überhaupt erst zusammenhalten. Nicht auszudenken, wenn der Wind die Dünen in alle Himmelsrichtungen davonblasen würde. Und ich ohne meine Schleswig-Holsteiner Berge dastünde.